Das leben ist kein ponyhof

Ein Blick aus dem Busfenster bewies mir, dass wir Brisbane endgültig hinter uns gelassen haben. Wenige Minuten zuvor sahen wir noch die Skyline des CBD's, doch jetzt blickten wir auf dutzende Felder und auf die endlose Natur des australischen Kontinents. Carlotta und ich machten uns auf den Weg nach Biddaddaba, wo wir eine Stelle auf einem Reiterhof ergattert haben. In meiner Vorstellung träumte ich davon, auf einer kleinen niedlichen Ponyfarm zu arbeiten, mich ein wenig um die Tiere zu kümmern und vielleicht sogar auf dem Rücken der Pferde, die Felder entlang zu galoppieren. Ich hoffte wir würden bei einer netten Familie unterkommen, die in einem schönen Landhaus wohnt und uns jeden Abend mit leckerem Essen bekocht. Doch wie sagt man so schön: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

Der erste Eindruck unserer Bleibe war die reinste Katastrophe. Die winzige Wohnung, in der wir untergebracht waren, bewies sich als reinste Schreckenskammer. Auf wenigen Quadratmetern quetschten sich eine Küche mit integriertem Wohnbereich, ein Schlafzimmer und ein kleines Badezimmer. In der Küche, vor allem im Kühlschrank und in der Anzeige der Mikrowelle, hausten tausende Kakerlaken und der Boden war mit einer dicken Dreckschicht überzogen. Natürlich ist mir bewusst, dass es auf einem Reiterhof nicht immer super sauber ist, aber ein Gemisch aus Pferdehaaren, Sand und Heu muss ich  nicht an dem Ort haben, an dem ich mein Essen zubereite. Das Schlafzimmer war der nächste Schock. Mehr als 2 Hochbetten und angebaute Bretter an den Wänden, die als Schrank dienen sollten, gab es nicht. Die Matratzen waren komplett durch gelegen,  auf dem Laken waren undefinierbare schwarze Flecken und an der Decke hing alles voll mit Spinnengeweben. Ich hätte nicht gedacht, dass mein $10 Schlafsack aus dem K-Mart so schnell an Wert gewinnen kann, doch nun wurde er zu meinem wichtigsten Utensil, denn ohne Schutz würde ich mich niemals in diese Asozialität legen.

Im Gegensatz zu unserer Wohnung, war der Rest des Hofes relativ schön. Es gab 3 Ställe, eine Reithalle und einen Springplatz, die allesamt perfekt gepflegt waren. Die Pferde hatten es hier anscheinend besser, als wir Menschen. Vielleicht lag das auch daran, dass die meisten Pferde extrem teuer waren. Belcam, der Stall in dem wir arbeiteten, war extrem professionell. Das war uns vorher nicht bewusst. Go Dutch, ein wundervoller Fuchswallach aus Deutschland (wie kann ein deutsches Pferd bloß so einen Namen tragen?!), war das Juwel des Hofes. Er kostete unglaubliche $3 Mio. Seine Besitzerin ist eine 19 jährige Millionärs,- bzw. vielleicht sogar Miliadärstochter, deren Vater Filme für Hollywood produziert. Wer hat, der kann. Und da der guten Jemma 4 teure Pferde  nicht genug waren, musste ein neues her. An unserem ersten Tag hier machte sich Phil, der Besitzer des Hofes auf nach Deutschland, um ein neues Pferd für Jemma anzuschauen. Ist ja nicht so, dass 15000km zwischen Biddaddaba und dem neuen Pferd liegen, aber wenn man das nötige Kleingeld hat, ist ja bekanntlich alles machbar.

Falls ihr jetzt denkt, dass die Stallungen und Boxen vergoldet waren, liegt ihr komplett falsch. Es war zwar alles gepflegt und ordentlich, doch vom Aussehen her, hatte man eher den Eindruck es handele sich um einen gewöhnlichen Reiterhof. Auch die Leitung des Hofes bewies sich als recht unprofessionell. Ein schwules Pärchen (Das soll jetzt nicht diskriminierend klingen. Ist nur eine Feststellung!!) betrieb den Stall. Die rechte Hand der Beiden war ein weiterer schwuler Typ, der eine Ausbildung bei Belcam macht. Mit seinen 18 Jahren hatte er schon recht viel zu sagen, was wahrscheinlich auch daran lag, dass es keine weiteren Angestellten, außer uns 5 Backpacker gab. Ich fasse nochmal kurz zusammen: der Hof wurde von 3 Schwulen und 5 Backpackern betrieben. Komische Kombination. So etwas kann es nur in Australien geben. Nachdem Phil, Adam und Rhys zu den Nationals, einer wichtigen Show nach Melbourne aufgebrochen waren, betrieben wir Backpacker den Hof ganz allein. In Deutschland wäre so etwas niemals denkbar gewesen.

Die Ausstattung der Pferde ließ allerdings zu wünschen übrig. Oftmals gab es nicht ausreichend Gamaschen für alle und die Halfter waren teilweise viel zu klein. Den ganzen Tag über musste jedes Pferd, trotz der Hitze, eine Decke tragen, damit das Fell nicht zu lang wird und man nicht so viel putzen muss. Am Abend war es üblich, dass 3-4 weitere Decken dazu kamen. Ich gebe zu, dass die Nächte hier teilweise extrem kalt sind, aber mehrere Wolldecken, die in Deutschland nur im Winter benutzt werden, sind im australischen Sommer auf jeden Fall nicht nötig. Trotzdem möchte ich Belcam nichts schlechtes unterstellen. Ich finde manche Vorgänge auf dem Hof zwar etwas merkwürdig, doch anscheinend ist es in Australien so gang und gäbe.


Mein Tagesablauf


6am

Aufstehen

Frühstück: Gestellt wurde Toast und Tee, was mir aber nach ein paar Tagen aus den Ohren hing. Deswegen kaufte ich mir Müsli und Obst. Mein Plan war es eigentlich kein Geld auszugeben, aber na ja, hat nicht so ganz funktioniert.

 

7am

Arbeitsbeginn

Pferde bekommen ''Frühstück''

Futtereimer abwaschen, wonach ich immer nasser war, als die Eimer selbst

Heu in die Futtersäcke füllen

 

8am

Pferde auf die Paddocks bringen, was extrem anstrengend war, da die Top Paddocks recht weit entfernt waren und die Sonne schön vom Himmel knallte

 

9am

Ställe ausmisten und Wasser nachfüllen

 

10am

Heu geben

zwischendurch Pferdewechsel auf den Paddocks und Pferdewechsel im Walker (Führanlage)

 

12pm

30min Mittagspause

Essen: wieder Toast und Cornflakes (ich kann kein Toast mehr sehen!!) nachdem wir einkaufen waren gab es immer Toast mit Avocado und Müsli mit Sojamilch und Obst. Wenigstens eine kleine Besserung.

 

1am

Pferde von den Paddocks holen

Heu auffüllen

Pferde im Walker wechseln

 

2pm

Futter geben

Eimer auswaschen

Nochmal ausmisten

Wasser geben

Ausfegen

 

4pm

Feierabend

 

9-10pm

Nachtschicht

Heu geben

Ausmisten, obwohl die Pferde nachts eh alles wieder voll scheißen

Wasser geben


Wie man also erkennen kann, hatten wir 10 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche, etwas zu tun. Die Arbeit war wirklich anstrengend und bei den hohen Temperaturen kam man ganz schön ins Schwitzen. Positiv war, dass so die Zeit extrem schnell verging und man zunächst keine Langeweile hatte, da man immer beschäftigt war. Nach einer Woche fuhren die Besitzer des Hofes mit mehreren Pferden zu den Nationals in das 2000km entfernte Melbourne. Ab da an hatten wir weniger Aufgaben zu erledigen, da keine Pferde mehr geritten wurden und wir uns somit nur noch ums Saubermachen und solche Sachen kümmern mussten. Die Arbeit wurde entspannter und wir machten jeden Tag um 15 Uhr Feierabend. An sich war das super nett, doch was soll man schon die ganze Zeit irgendwo im Nirgendwo unternehmen? Unsere freien Nachmittage verbrachten wir damit, an einem wunderschönen Baum vor der Reithalle zu sitzen. Zum Einen hatten wir von dort aus eine tolle Aussicht und zum Anderen gab es halbwegs guten Handyempfang. Ich liebte diesen Ort! Zwar stand dort nur eine Holzbank unter einem Baum, doch dieses Fleckchen strahlte eine unglaubliche Ruhe aus. Ein wenig erinnerte mich all das an Rosenwinkel. Hin und wieder besuchten uns ein paar Katzen, Hunde, Kängurus oder Raffellos. Ihr wisst schon, die Papageien aus der Werbung. Ich genoss meine freien Stunden und verbrachte sie eigentlich immer draußen. Die anderen Mädchen auf dem Hof waren die meiste Zeit drinnen im Haus und schauten sich dutzende Serien an. Jedes Mal fragte ich mich, wie man sich freiwillig vor den Fernseher setzen kann, wenn es draußen doch so viel schöner ist

Mit den Tagen wurde uns immer langweiliger. Wir wussten einfach nicht mehr, was wir noch machen sollten. Oft planten wir unsere weitere Reiseroute und ich blätterte stundenlang meinen Lonely Planet durch, doch irgendwann kannte ich die Texte schon auswendig. Zum Glück hatten wir die Möglichkeit ein Auto zu benutzen. Der alte Ford Falcon war die letzte Schrottkarre, doch er schenkte uns ein wenig Freiheit. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Carlotta und ich fuhren nach der Arbeit gern mal nach Beaudesert, einer kleinen Stadt 20km entfernt von hier. Dort kauften wir ein wenig bei Coles ein, denn wir brauchten endlich ein wenig Abwechslung in unserem Speiseplan. Mecces besuchten wir, wie sollte es auch anders sein, jedes Mal. Ein wenig WLAN schadet nie.

 

Jeden Tag hatten wir also den gleichen Ablauf. Wir standen früh auf, arbeiteten hart, entspannten unter dem Baum und hofften, dass wir zum Abendbrot gekochtes Essen bekamen. Ja, das war immer eine Überraschung, denn wir wussten nie, ob es etwas gab oder nicht. Und wenn es nichts gab, aßen wir auch zum Abendessen wieder Toast. Die Ernährung hier war die absolute Katastrophe. Auch sonst gefiel es uns nicht allzu gut. Somit beschlossen wir nur 3, anstelle von 4 Wochen zu bleiben und lieber eine Woche früher nach Brisbane zurückzukehren. Zum ersten Mal seit meiner Zeit in Australien hatte ich Heimweh. Nicht nach Deutschland. Aber dafür nach Brisbane. Ich wollte zurück ins Big Brother Haus, zurück zu den Jungs, zurück in die Stadt. Und ich wollte einfach wieder reisen!

 

Um unsere Sehnsucht zu stillen, fuhren wir ein Mal die Woche nach Brisbane und besuchten Tom & Franz. Es war ein schönes Gefühl wieder da zu sein. Zimmer 221 – Home Sweet Home! Alles war beim Alten. Nur unsere Betten waren durch neue Leute bewohnt. Das war ein seltsamer Anblick. Carlotta und ich hofften, dass uns diese Tage Kraft geben, weiter zu arbeiten. Das taten sie auch, doch gleichzeitig erkannten wir, wie gern wir doch zurück wollten. Es war immer wieder schade, die Skyline hinter sich zu lassen.

 

Last but not least, komme ich noch zu 5 verrückten, coolen bzw. total dummen Aktionen auf dem Hof. Glaubt mir, was zum Lachen hatten wir eigentlich immer, auch wenn es manchmal nur aus purer Verständnislosigkeit war.

 

1 – Sandwechsel in Liams Box mit einer MISTGABEL!!

 

Ja, ihr lest richtig. Carlotta und ich haben, mehr oder weniger allein, aus einer ganzen Pferdebox den Belag entleert und wieder neu eingefüllt. Wohl bemerkt mit einer Mistgabel. Natürlich ist der Sand die ganze Zeit durch die Zacken gefallen. Das war ein Spaß. Insgesamt hat uns diese Aktion einen halben Tag gekostet.

 

2 – Aufbau eines klapprigen Schrankes
Nach unserer Arbeitszeit mussten wir einen klapprigen Pappschrank aufbauen. Dabei habe ich mich gefühlt, wie nach einem Einkauf bei IKEA. Tausende Einzelteile lagen verstreut auf dem Boden und die Bauanleitung war für mich so fremd, wie Chinesische Schriftzeichen. Zum Glück halfen uns Carlottas LEGO Skills dabei, das olle Ding aufzubauen. Zwischendurch gab es leider ein paar Komplikationen, doch die ließen sich mit ein wenig Gewalt lösen. Falls zwei gewisse Personen jetzt vermuten, dass wir beiden Fügchen in solchen Situationen anfangen herumzuflattern, täuscht ihr euch gewaltig. Nein, wir haben unsere Federn nicht verloren. Im Endeffekt stand der Schrank wie eine 1, die Frage war nur für wie lange, aber das sollte nicht unser Problem sein.

 

3 – Autowaschen Deluxe
Wozu soll man Geld für die Autowäsche ausgeben, wenn man 5 schnieke Backpacker Mädchen auf dem Hof hat? Unsere Aufgabe war es also einen richtig geilen 4WD zu putzen. Wir spritzten ihn mit Wasser ab, schäumten ihn ein und schrubbten was das Zeug hielt. Zwar trugen wir keine Bikinis, wie die Models aus den versauten Zeitschriften und wir rollten uns auch nicht über die Motorhaube. Trotzdem kamen wir uns schon ein bisschen cool vor.

 

4 – Spitzenspiel Dortmund : Bayern
Der absolute Katastrophenfall trat ein. Es war so weit, Borussia Dortmund empfing die Gäste aus den Alpen. Niemals konnte ich ein so wichtiges Spiel verpassen. Das nicht funktionierende WLAN machte mir jedoch einen Strich durch die Rechnung, denn einen Live Stream zu schauen, war undenkbar. Nichtsdestotrotz stand ich um halb 4 Uhr morgens auf und setzte mich an meinen Lieblingsbaum, wo es zum Glück 3G Empfang gab. Zwar hörte ich nur das BVB Netradio an, doch das rettete meinen Tag trotzdem. Eingemummelt in den Schlafsäcken, um uns vor der Kälte zu schützen, machten Carlotta und ich es uns in der Dunkelheit gemütlich und lauschten der euphorischen Stimme von Nobby Dickel. Bester Mann einfach! ''Jezt geb dem ollen Ribery doch endlich mal ne gelbe! Allein schon wegen seiner Anwesenheit!''. Wie ich seine Kommentare doch liebe! Noch nie in meinem Leben war ich so früh am Morgen so glücklich. Wir gewannen das Spiel 1:0. Das war ein perfekter Start in den Tag und natürlich war es auch so ein bissl das, was die Bayern brauchten. HEJA BVB!

 

5 – Tommy, das gefärbte Pferd
In Vorbereitung auf die Nationals, wurden uns teilweise sehr seltsame Aktionen geboten. Ryhs rasierte den Pferden die Haare an den Nüstern ab, brachte ihnen einen Kunstschweif an und wir erfuhren, dass die Pferde bei den Shows geschminkt werden. All das konnte und wollte ich nicht verstehen. Immer wenn man jedoch denkt, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, kommt es schlimmer. Der ärmste Tommy, ein schwarzer Wallach, wurde einfach mal das Fell gefärbt. Wie um alles in der Welt kommt man bitte auf eine so bescheuerte Idee?! Ich muss zugeben, dass er danach wirklich mega geil aussah, aber trotzdem musste das nicht sein. Leider wurden die Pferde bei Belcam teilweise nur als Sportgeräte angesehen. Auch Tiere sind Lebewesen mit Gefühlen, das sollte man niemals vergessen.

 

Das war unser Alltag während unserer Zeit bei Belcam. Es war bei Weitem nicht alles schlecht, aber halt auch nicht alles gut. Die Erfahrung war es jedoch wert.

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Kommentare: 2
  • #1

    Oma (Samstag, 26 November 2016 11:06)

    Da habt ihr euch aber gut geschlagen,bei diesen Bedingungen .:-) Dein Lieblingsplatz auf der Farm passt zu dir,den hätte ich mir auch gewählt.Die Fotos sind auch wieder ganz toll,es ist wirklich eine sehr schöne Landschaft. Weiter so :-) :-)

  • #2

    Marius (Dienstag, 29 November 2016 09:02)

    Mit mir auf Turnier zu fahren ist dagegen ja totale Entspannung. Berndt vermisst dich auch Franzi! :)