The inlander Train

Puenktlich um 00:05 Uhr ertoente der Pfiff des Schaffners. Seine Geste sollte mir bewusst machen, dass ich endlich einsteigen musste. Der Zug wollte seine Fahrt fortsetzen, genauso wie ich meine Reise fortsetzen wollte. Doch etwas in mir liess mich nicht gehen.

 

Zu viert standen wir, etwas verloren, am einzigen Gleis des Richmonder Bahnhofs. Der kleine, dicke Schaffner mit seinen grauen Haaren, der es gar nicht erwarten konnte, dass er wieder in seine Schlafkabine kam. Skewy, mit einem Weinglas in der einen, und einer Weinflasche in der anderen Hand.  Lotti, die von den Muecken zerstochen wurde. Und ich, mit meinem viel zu schweren Backpack.

 

Ueber uns leuchteten die Sterne in die Nacht hinein. So intensiv und wunderschoen, wie man es nur im Outback sehen kann. Doch auch dieser Anblick konnte mich nicht ueber die Tatsache hinwegtroesten, dass ich erneut Abschied nehmen musste. 

 

Zwar war ich froh, Richmond zu verlassen und meine Freiheit wieder zu haben, doch auf der anderen Seite verliess ich eine Gemeinschaft, von der ich ein Teil geworden war. Viele Leute werde ich nie mehr wiedersehen. Das ist mir bewusst und es macht mich traurig. Vor allem Skewy habe ich wirklich lieb gewonnen, und ich weiss es sehr zu schaetzen, was er alles fuer mich getan hat. Solche Menschen sind der Grund, warum es sich lohnt, einmal um die halbe Welt zu reisen. 

 

Schliesslich wurde es Zeit, auch Lotti Lebewohl zu sagen. Na dann war's das halt. Nach 8 gemeinsamen Monaten trennten sich unsere Wege. Nun ist jeder von uns auf sich allein gestellt. Trotzdem werden uns unsere gemeinsamen Erlebnisse fuer immer verbinden und auch in 50 Jahren werden wir noch ueber unsere ganzen Aktionen lachen koennen. Ich bin mir sicher, dass wir uns in Deutschland wiedersehen und wer weiss, vielleicht warten noch weitere gemeinsame Reisen auf uns. 

 

 

Never say Goodbye 

because saying Goodbye

means going away

and going away

means forgetting.

 

 

Schweren Herzens stieg ich in den Inlander Train. Auf der Schwelle der Tuer drehte ich mich ein letztes Mal um und warf meinen Freunden ein Laecheln zu. Meine Lippen formten, fast unhoerbar, die Worte ''See ya''. Dann schlossen sich die Tueren mit einem dumpfen Ton und der Zug setzte sich in Bewegung. Ich verspuerte ein Gefuehl der Wehmut, aber auch der Freiheit.

 

Nach einer kurzen Suche fand ich eine freie Sitzreihe und entschied mich fuer den Fensterplatz. Sieht doch ganz gemuetlich aus, dachte ich. Zumindest besser als der Greyhound Bus. Ich richtete mir mein Nachtlager ein und versuchte herauszufinden, welche Schlafposition die beste fuer mich ist. Schnell wurde mir bewusst, dass der Fussboden nicht dazu gehoerte. Ein Versuch war es wert. 

 

Die naechsten Stunden verbrachte ich entweder mit Schlafen oder mit dem vergeblichen Versuch, Kraempfe in meinem Bein zu loesen. Um 3:00 Uhr nachts wachte ich erneut auf und war komischerweise total hungrig. Normalerweise bin ich keine Person, die mitten in der Nacht den Kuehlschrank pluendert, doch in dieses Mal war der Naeschhunger staerker als ich. Vielleicht lag das auch am Rum, welchen wir am Abend zuvor getrunken haben. Zum Glueck war ich bestens vorbereitet, denn dank Skewy hatte ich ein paar Potato Fritters am Start. Diese goennte ich mir. Wenige Minuten spaeter schlief ich gestaerkt, und mit einem wundervollen Pancake Geruch in der Nase, wieder ein.

 

Am naechsten Morgen weckte mich das laute quietschende Gerauesch, welches entsteht, wenn Metall ueber Metall rutscht. Der Zug befand sich im Bremsvorgang. Wir verloren langsam an Geschwingigkeit und rollten langsam in den Bahnhof von Charters Towers ein. Ein paar Passagiere verliessen den Zug. Beim Aussteigen danktem sie dem Schaffner hoeflich und schon waren sie verschwunden. Ihre Plaetze wurden von neuen Leuten besetzt, die sich nun unserer Reise anschlossen.

 

Mir fiel auf, dass das genau meiner Zeit in Australien glich. In meinen 8 Monaten in Down Under lernte ich so viele verschiedene Menschen kennen. Wie auch im Zug, begleiteten mich manche nur ein paar Stunden. Andere ein paar Tage. Und ganz besondere Leute sogar mehrere Monate. Menschen kamen und gingen.

 

Ob ich all diese wunderbaren Leute in der Zukunft wiedersehen werde, kann ich nicht sagen. Natuerlich sind wir selbst dafuer verantwortlich, was wir tun und was nicht, aber ich glaube trotzdem, dass viele von uns, zurueck in Deutschland, andere Leute sein werden. Unser Leben in der Heimat wird ein anderes sein als das, welches wir als Reisende fuehrten. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass es moeglich ist, ein Stueck Australien mit Deutschland zu verbinden. Ich wuerde meine Travelmates gern erneut treffen und sehen, wie sie in Deutschland leben. Vielleicht kreuzt das Schicksal unsere Wege nocheinmal. Vielleicht auch nicht. Das wird man dann wohl sehen.

 

Der Inlander Train nahm seine Fahrt wieder auf. Ich schaute aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Landschaften. Manchmal kann das Outback sogar schoen sein, dachte ich mir. Die typische rote Erde, Eukalyptus Pflanzen, verdorrte Straeucher, tausende Rinder und ab und zu ein paar kleine Berge. Diese Aussicht hatte ich fuer die naechsten 3 Stunden und ich mochte sie.

 

Um mich abzulenken, spielte ich meine Lieblingsplaylist auf Spotify ab. Kennt ihr das, wenn ihr einen Song hoert und euch sofort Millionen Erinnerungen in den Kopf schiessen? Mir passierte das in dem Moment, in dem das Lied "The Ocean" von Mike Perry begann. In Gedanken war ich zurueck auf einem wundervollen Segelschiff und schaute auf den weiten Ozean hinaus.

 

Ich sah aus dem Fenster und so langsam realisierte ich, dass ich nicht nur das Outack an mir vorbeiziehen sah, sondern auch mein komplettes Work & Travel Jahr. In 2 Tagen ist meine Zeit hier beendet. Ich werde Australien verlassen.

 

Es gab so viele Situationen, in denen ich gluecklich war und den Moment genoss. Ich fuehlte mich frei, traf manchmal richtige Entscheidungen, manchmal falsche, aber im Endeffekt lebte ich einfach das Leben, das mich schon immer so faszinierte.

 

Mit einem Backpack durch die Welt reisen. Das ist es, was ich immer wollte.  Nun hatte ich es und kann sagen, dass ich es liebte. Ich mochte es, nicht zu wissen, wo man am naechsten Tag ist. Ich liess alles auf mich zukommen, nahm hin, was kam und war begeistert, wenn unerwartete Ueberraschungen auf mich warteten. 

 

Natuerlich lief nicht immer alles glatt. Es gab Tage, an denen ich weinend, verweifelt und mit Sonnenbrand in einem National Park sass, an die falschen Leute geriet oder schlechte Laune hatte, da unser Auto nicht mehr weiter fahren konnte. In Brisbane fand ich keinen gut bezahlten Job. In Tassie ueberfuhren wir ein Kaenguru (was mich immer noch traurig macht). In Richmond demolierte ich so ungefaehr alles, was einen Motor und vier Raeder hatte. Und in Melbourne stand ich ohne Geld da, weil meine Kreditkarte, ohne jeglichen Grund, vom ANZ Automaten verschluckt wurde.

 

Reisen bedeutet Grenzen zu ueberschreiten, auch die eigenen. Ich habe gelernt, meine Fehler und Probleme hinzunehmen  und erkannt, dass es nichts gab, was sich nicht loesen liess. Man muss nur erstmal ruhig bleiben und die Situation akzeptieren. Im Nachhinein kann ich ueber die meisten Sachen lachen.

 

Ueberwiegt haben jedoch die positiven Momente. Ich uebernachtete im Zelt an wundervollen Orten, sass abends mit einem warmen Cider am Lagerfeuer, sah tausende Straende, Berge, Seen und Fluesse. Australien war so ein vielseitiges Land fuer mich. An der Kueste lernte ich das gechillte Leben der Surfer kennen und  im Outback das der coolen Cowboys. Zwei Lebensstile, die man nicht miteinander vergleichen kann. Trotzdem waren beide faszinierend.

 

Australien wird immer einen Platz in meinem Herzen behalten. Doch nun ist es an der Zeit, diesen Zug zu verlassen, in eine viel zu enge Jetstar Maschine zu steigen und meine Reise fortzusetzen.

 

Ich bin mir sicher eines tages wiederzukehren, denn so einfach wird mich das Land der Koalas und Kangaroos nicht los. Irgendwann werde ich die Westkueste erkunden und irgendwann werde ich den Reynolds River bezwingen, da bin ich mir sicher.

 

 

See ya Australia!

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Kommentare: 1
  • #1

    Oma (Samstag, 29 April 2017 17:05)

    Franzi,wir sind so stolz auf dich,wie du alle deine Ziele in Australien erreicht hast, du Höhen und Tiefen meisters und immer das Positive für dich überwiegt. Mach weiter so.Eine schöne Zeit in Asien.